Nicht verkauft, ab in die Tonne. So ergeht es vielen Lebensmitteln in deutschen Supermärkten oder Restaurants. Hier setzt die App „Too Good To Go“ an. Mit der App des gleichnamigen dänischen Unternehmens kann man Waren deutlich günstiger bekommen, die nicht verkauft wurden. Statt im Mülleimer, landen die Lebensmittel also doch beim Kunden – und das in Form einer Überraschungstüte. In der Regel zu einem Drittel des Ursprungspreises.

Die Registrierung für die App (App Store, Google Play Store) ist kostenlos. Laut Betreiber wird dem Verkäufer eine Provision von 1,19 Euro pro verkaufter Tüte mit Waren in Rechnung gestellt, zusätzlich eine administrative Jahresgebühr in Höhe von 39 Euro. Hincooker Andi Schuler hat die App „Too Good To Go“ getestet.

So funktioniert „Too Good To Go“

So funktioniert die App: Karte aufrufen, Angebote suchen, Überraschungstüten buchen und später abholen. Das kann man im Laufe eines Tages machen – wenn es die Zeit zulässt. Mein Test aber zeigt: Das ist nicht die beste Idee, denn dann braucht man schon Glück, um das zu ergattern, was man unbedingt haben möchte.

Kaum erscheinen die beliebtesten Tüten auf der App als Angebot, sind sie auch schon weg. Das Wörtchen „ausverkauft“ ist ein treuer Begleiter bei der Suche. Der Frustrationslevel wächst und man erwischt sich schnell dabei, viel zu viel Zeit mit der App zu verbringen. Ratsamer ist daher, auf die Tipps der App-Entwickler zu hören:

Die geplante Suche

„Du hast den Hinweis ‚Ausverkauft seit...‘ für deinen Geschmack ein paar Mal zu oft gesehen? Wir können dir zwar nichts versprechen, aber mit diesen drei Schritten steigerst du deine Chancen auf deine gewünschte Überraschungstüte erheblich.

  • Mach dir eine Notiz, zu welcher Uhrzeit das Abholfenster deines Lieblingsladens endet. In vielen Läden gehen 15 Minuten nach Ende der Abholzeit Überraschungstüten für den nächsten Tag online.
  • Stell deinen Handywecker auf 14 Minuten, nachdem die Abholzeit geendet hat.
  • Wenn der Wecker klingelt, geh auf das Profil des Ladens. Aktualisiere das Angebot genau in dem Moment, wenn die 15 Minuten um sind. Und zack, die Überraschungstüte sollte dir gehören!“
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Also hinein in den Praxistest.

Testkauf 1: Bäckerei-Überraschungstüte

Geht ein Mann in die Bäckerei. „Ich hätte gerne 99 Brötchen.“ Sagt die Verkäuferin: „99? Nehmen Sie doch 100.“ Sagt der Mann: „100 Brötchen? Wer soll die denn alle essen?“

So ähnlich fühle ich mich, als ich gegen 10.30 Uhr die Bäckerei Felsenbeck in der Gustav-Schwab-Straße 5 beim Petershausener Bahnhof mit einer riesigen Tüte verlasse. Überraschungstüte nennt die sich, die ich bei „Too Good To Go“ bestellt hatte – man weiß also vorher nicht, was genau sich darin befindet.

Hincooker Andreas Schuler mit seiner riesigen Überraschungstüte einer Konstanzer Bäckerei. Brötchen, Brot und süßer Plunder vom Vortag ...
Hincooker Andreas Schuler mit seiner riesigen Überraschungstüte einer Konstanzer Bäckerei. Brötchen, Brot und süßer Plunder vom Vortag für 4 statt 12 Euro – zwar nicht mehr knusprig, aber dafür herrlich weich und fluffig. Die Kollegen in der Redaktion haben sich sehr gefreut. | Bild: Schuler, Andreas

Ich habe erhalten: Acht gemischte Brötchen, drei süße Plunder sowie ein halbes Körnerbrot, alles am Vortag gebacken. Das alles für für 4 Euro. 12 Euro hätte mich der Inhalt der Tüte frisch am Backtag gekostet. Der Drucktest bestätigt: Die Ware ist zwar nicht mehr knusprig – aber schön weich und fluffig, der Geruch ist nach wie vor lecker.

Acht gemischte Brötchen, drei süße Plunder sowie ein halbes Körnerbrot, alles am Vortag gebacken, für 4 statt 12 Euro.
Acht gemischte Brötchen, drei süße Plunder sowie ein halbes Körnerbrot, alles am Vortag gebacken, für 4 statt 12 Euro. | Bild: Schuler, Andreas

Am frühen Vorabend hatte ich die Bestellung aufgegeben, nachdem ich nach nur kurzer Suche mehrere Bäckerei-Überraschungstüten für jene 4 Euro zum Verkauf standen. Nur wenige Augenblicke nach der Bestellung erreichte mich diese Mail:

„Hallo Hincooker! Wir bestätigen hiermit deine Bestellung bei Bäckerei Felsenbeck – Petershausen (Bahnhof). Du kannst deine Bestellung am 19.03.24 zwischen 07:00 und 12:00 Uhr MEZ (Zeitzone des Ladens) hier abholen: Gustav-Schwab-Straße 5, 78467 Konstanz, Deutschland ... Anzahl: 1, Gesamtpreis: 4,00 €, Freundliche Grüße TooGoodTo Go.“

Verkäuferin Sandra Jauch reicht Hincooker Andreas Schuler die riesige Überraschungstüte über die Ladentheke. „Wer am Vortag bestellt, ...
Verkäuferin Sandra Jauch reicht Hincooker Andreas Schuler die riesige Überraschungstüte über die Ladentheke. „Wer am Vortag bestellt, hat gute Chancen. Morgens eine Tüte für mittags bestellen“, sagt sie. | Bild: Schuler, Andreas

Die Verkäuferin Sandra Jauch klärt mich auf: „Die Ware ist niemals schlecht oder verdorben, sie wurde am Vortag lediglich nicht verkauft.“ Sie hätten durchschnittlich sechs Überraschungstüten, „die eigentlich immer weggehen“. Das sei besser, als die Ware wegzuschmeißen. Stimmt.

Einen Hinweis hat Sandra Jauch noch für alle Schnäppchenjäger: „Wer am Vortag bestellt, hat gute Chancen. Morgens eine Tüte für mittags bestellen – das klappt eigentlich nie“

Testkauf 2: Bowl-Überraschungstüte

Deniz Mert überreicht mir meine Überraschungs-Bowl.
Deniz Mert überreicht mir meine Überraschungs-Bowl. | Bild: Schuler, Andreas

Donnerstagabend, so gegen 17.30 Uhr. Ich versuche, die Tipps der App anzuwenden und warte, bis das Abholfenster des Restaurant meiner Wahl endet. In der Tat: Keine fünf Sekunden später erscheinen die Angebote für den nächsten Abend:

„Bonama – Bowls, Wraps, Frühstück. Überraschungstüte für 6 statt 18 Euro. 3 verfügbar.“

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Sofort klicke ich drauf, die nächste Seite mit genaueren Detail öffnet sich und ich reserviere. Abholzeit zwischen 17 und 17.30 Uhr. Per Mail erreicht mich die Bitte, eine wiederverwertbare Verpackung mitzubringen, um Müll zu vermeiden. Die Angebote sind zu diesem Zeitpunkt übrigens schon wieder alle weg.

Kritik: „Dreistigkeit der Menschen nimmt zu“

Am Freitag, zur angegebenen Uhrzeit, überreicht mir Bonama-Chef Deniz Mert die Bowl. Wie abgemacht: 6 Euro. Glücklich wirkt der junge Mann dabei nicht. Aber warum? „Wir werden aller Voraussicht nach bis zum Sommer aussteigen bei ‚Too Good To Go‘“, sagt er. „Die Dreistigkeit der Menschen nimmt immer mehr zu.“ Eigentlich sei die App ja eine gute Sache. „Aber wenn immer wieder die gleichen Menschen kommen, teilweise Ärzte oder Rechtsanwälte, dann stellt sich für mich die Sinnfrage“, sagt Mert.

Eine Bowl im Bonama.
Eine Bowl im Bonama. | Bild: Schuler, Andreas

Immer wieder frage er diese Kunden, ob sie denn nicht mal zu den üblichen Öffnungszeiten kommen und etwas zum Normalpreis essen wollten, „doch die lachen dann meistens und sagen, dass sie es lieber günstiger auf diesem Wege abholen“.

Wenn Studenten oder alleinerziehende Mütter über „Too Good To Go“ bei ihm bestellen, sei er gerne bereit, Extrawünsche zu erfüllen und gebe noch etwas dazu. „Aber so, wie es derzeit läuft, geht das am Ursprungsgedanken vorbei. Das ist sehr schade.“

Testkauf 3: Obst- und Gemüse-Überraschungskiste

Prall gefüllte Kisten für jeweils 4 Euro.
Prall gefüllte Kisten für jeweils 4 Euro. | Bild: Schuler, Andreas

So eine Kiste zu ergattern, ist nach meinen Erfahrung die größte Herausforderung in und um Konstanz. Edeka Baur hat dieses Angebot nahezu täglich – und kaum sieht man es auf der App, ist es auch schon weg. Ich bleibe hartnäckig, weil es sich lohnen soll – wie mir Bekannte und Verwandte berichten, wenn sie denn eine Kiste ergattern konnten.

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Und siehe da: Auch hier ist der Trick der App-Anbieter erfolgreich. Wieder ploppt wenige Minuten nach der Abholzeit das Angebot für den nächsten Tag auf. In Windeseile sichere ich mir die Tüte – und war auch hier wieder nicht der einzige. Nur wenige Augenblicke später sind alle fünf Angebote vergriffen.

Die Kisten mit Obst und Gemüse im Edeka warten auf diesem Wagen auf ihre Abholer.
Die Kisten mit Obst und Gemüse im Edeka warten auf diesem Wagen auf ihre Abholer. | Bild: Schuler, Andreas

Laut Zentralverwaltung des Supermarktes wurden in den vergangenen 30 Tagen (Stichtag 21. März) 1531 Überraschungstüten Backwaren sowie Obst und Gemüse) verkauft. „In der Regel sind unsere Tüten ausverkauft“, schreibt Mitarbeiterin Kathrin Hofer auf SÜDKURIER-Nachfrage. „Was nicht verkauft wird, wird wie die anderen ‚aussortierten‘ Lebensmittel behandelt: also entweder an die Tafeln weitergegeben oder an unsere Mitarbeiter.“

Testkauf 4: Bio-Überraschungstüte

Die Bio-Überraschungsbox im Bio-Laden.
Die Bio-Überraschungsbox im Bio-Laden. | Bild: Schuler, Andreas

Na klar, man braucht bei den beliebtesten Waren Glück und ein gutes Timing. Auch bei der Bio-Überraschungstüte von Denns Bio-Markt habe ich beides. Dieses Mal wenige Minuten nach Beginn der Abholzeit des selben Tages, die zwischen 10 und 19 Uhr liegt. In der großzügig gefüllten Box finden sich Pilze, Kohl, Zwiebeln, Tomaten oder Sellerie – was eine gute Suppe ergibt.

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Die Produkte sahen nicht mehr wirklich frisch aus. Doch es ist keine Seltenheit, dass Bio-Ware schneller etwas mitgenommen aussieht. Die Qualität war jedenfalls gut, länger als ein Tag hätte das Gemüse aber nicht mehr liegen dürfen.